Inverse Impfung bei Autoimmunerkrankungen

Zyklopeptide zur Therapie der Anti-ß-Rezeptor-vermittelten Immunreaktion bei chronischem Herzversagen

Nach einer primären Schädigung des Herzmuskels werden Autoimmun-Antikörper in einer Vielzahl von Patienten mit Herzversagen gefunden. Dies ist weitgehend unabhängig von der eigentlichen Ursache der Schädigung (z. B. infektiös oder durch Durchblutungsstörungen). Diese Antikörper richten sich gegen körpereigene beta-adrenerge Rezeptoren im Herzmuskel und stimulieren diese ähnlich wie die natürlichen Hormone Noradrenalin oder Adrenalin. Dies führt zu einer chronischen Überstimulation dieser wichtigen regulatorischen Rezeptoren, und nachfolgend zu reduzierter Funktion des Herzen und zunehmendem Herzversagen.

Roland Jahns, Valerie Jahns-Boivin und Martin Lohse am Rudolf-Virchow-Zentrum der Universität Würzburg legten die Grundlagen, auf deren Basis das Team zur Therapie dieser Immunreaktion zyklische Peptide  entwickelte.

Diese zyklischen Peptide verhindern die Effekte der stimulatorischen Antikörper. In Krankheitsmodellen waren sie in der Lage, die Entwicklung von chronischem Herzversagen zu verhindern und sogar manifestes Herzversagen wieder nahezu vollständig zu beseitigen.

Das Projekt wurde im Jahr 2012 zu einem Kaufpreis von 100 Millionen US-Dollar (Direktzahlung)  von Johnson+Johnson/Janssen übernommen, weitere Meilenstein-abhängige Zahlungen und Lizenzgebühren (Royalties) wurden in Aussicht gestellt. Somit konnte in dem Projekt eine wesentliche Rückzahlung der mit staatlichen Mitteln/Steuergeldern aufgebrachten Vorfinanzierung (u. a. eingeworbene Fördermittel des Bundes-Forschungsministerium (BMBF), oder Beteiligungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder des HighTechFonds) erreicht werden: Neben relevantem Investment von privaten Geldgebern und Fonds hatten diese öffentlichen Geldgeber im Zeitraum 2008 – 2012 10.4 Millionen EUR eingebracht – 2012-2014 wurden insgesamt 52.6 Millionen EUR an diese Institutionen oder an Steuergeldern aus der Erlössumme rückgezahlt oder abgeführt.

Die zyklischen Peptide wurden bereits in einer Phase II-Studie bei Patienten mit chronischem Herzversagen untersucht (NCT01391507). Diese wurde vom Sponsor Janssen aus strategischen Gründen, nicht wegen medizinischer Bedenken, nachträglich in eine Pilotstudie umgewandelt und beendet.

Die weitere klinische Entwicklung von COR-1 wird deswegen maßgeblich von der Universität Würzburg durchgeführt. Eine weitere Klinische Phase IIb-Studie ist am Deutschen Herzinsuffizienz-Zentrum in Vorbereitung (EudraCT 2015-002010-68).

Literatur

Zyklopeptide zur Therapie der anti-TSH-Rezeptor-induzierten Schilddrüsen-Überfunktion (M. Basedow)

Auto-Antikörper bei Morbus Basedow (auch als Graves´ disease bezeichnet) richten sich gegen körpereigene Thyroid-stimulierende Hormon (TSH)-Rezeptoren in der Schilddrüse und aktivieren diese ähnlich wie das natürlich vorkommende TSH. Dies führt zu einer chronischen Überstimulation dieser wichtigen regulatorischen Rezeptoren, und nachfolgend zu Schilddrüsen-Überfunktion.

Neue zyklische Peptide verhindern die Effekte der stimulatorischen Antikörper. In Krankheitsmodellen waren sie in der Lage, die Entwicklung der Schilddrüsen-Erkrankung und auch die besonders schwer behandelbare Augenbeteiligung bei dieser Erkrankung („endokrine Orbitopathie“) zu verhindern und sogar vollständig zu beseitigen. In Untersuchungen im Labor von Prof. Kahaly, Uni Mainz, wurde außerdem eine signifikante Abnahme der relevanten anti-TSHR-Antikörper nach Peptid-Therapie dokumentiert. Weitere präklinische Untersuchungen inkl. verschiedener Hochdosis-Sicherheitsstudien ergaben keine relevanten Probleme, keine Immunogenität, und günstige Pharmakokinetik. Nach Einreichung aller relevanten Dokumente (u. a. “investigator´s brochure” und “IMPD”) über das Portal des Europäischen Arzneimittelinstituts (EMA) an das Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit (BfArM) erhielten wir die Bestätigung, dass eine klinische Studie in Menschen prinzipiell für möglich erachtet wird, und begonnen werden kann, sobald die finale Abfüllung des bestehenden, gemäß „good manufacturing practice“ (GMP)-produzierten TSHR-Peptids vollständig freigegeben wurde. Dieser Meilenstein entspricht dem “investigational new drug” (IND)-Status der US-Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration – FDA).

Literatur

Rheumatoide Arthritis

Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine weit verbreitete Autoimmunerkrankung, die durch die Citrullinierung verschiedener Proteine gekennzeichnet ist, die Autoantikörper induzieren und zu einer Entzündung der Innenhaut von Gelenken (Synovialis) führen. Dies kann im schlimmsten Fall eine Zerstörung dieser Gelenke bewirken. Diese Antikörper gegen citrullinierte Proteine im Serum (nachgewiesen mit zyklischen citrullinierten Peptiden (CCPs)) sind einer der spezifischsten Biomarker für RA. Zielgerichtete „biologische“ Medikamente hemmen teilweise die Produktion von Autoantikörpern durch Immunsuppression, können jedoch schwerwiegende unerwünschte Wirkungen, z. B. erhöhtes Infektionsrisiko, verursachen. Beispiele dafür sind gegen Tumor-Nekrose-Faktor (TNF-alpha) gerichtete Antikörper und Rituximab, ein CD20-spezifischer Antikörper, die alle bei RA therapeutisch wirksam sind. Die Autoantikörper-sezernierenden CD20-negativen Plasmablasten und langlebigen Plasmazellen werden aber nicht durch diese oder andere bestehende Therapien reduziert, sodass weiter großer Bedarf an noch spezifischeren Therapiemöglichkeiten besteht.

Deshalb untersucht unsere Gruppe Antigen-spezifische Therapien wie z. B. Epitop-simulierende Peptide, RNA oder Zelltherapien gegen RA.

Literatur

Wenhart C, Holthoff HP, Reimann A, Li ZM, Faßbender J, Ungerer M. A fructosylated peptide derived from a collagen II T cell epitope for long-term treatment of arthritis (CIA-FIA) in mice. Sci Rep 2021, 30;11(1):17345; www.nature.com/articles/s41598-021-95193-2